Nachhaltigkeitsstrategie heißt: Entscheiden, was nicht zu tun ist. 

Unterschiedliche Klimaszenarien, konträre Expertenpositionen, gesellschaftliche Forderungen und politische Rahmenbedingungen – wer eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln darf, muss sich gefühlt einen Weg durch den Dschungel der Möglichkeiten schlagen. Dass die Orientierung dabei nicht einfach ist, das sehen wir derzeit im Alltag unserer CSRD-Projekte. Immer wieder von Neuem steht die Frage im Raum: “Wie gelingt es, den Fokus auf das strategisch Wichtige und Richtige nicht zu verlieren?”    

Handlungsimpuls: Machen 

Viele kleine und mittelständische Unternehmen der Energiewirtschaft, die sich in der Vergangenheit aus eigenen Stücken mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen beschäftigt haben, setzten völlig frei ihre Agenda. In den vergangenen Jahren sahen wir häufig, dass Leuchtturmprojekte aus den Bereichen Erneuerbare Energien und Soziales gewählt und durch weitere ähnlich geartete Projekte ergänzt wurden. Meist war diese Agenda getrieben von Anlässen und Möglichkeiten und weniger von langfristigen Zielen. Strategie in der Light-Version: bottom up – wir machen was.   

Zweifellos helfen diese Leuchttürme und Vorbilder auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft. Sie zeigen, was und wie – wirtschaftlich, ökologisch und sozial im Einklang – funktionieren kann. Doch aus dem punktuellen, sporadischen Handeln muss ein strategisches werden, sonst verlieren die Einzelmaßnahmen dauerhaft an Wirksamkeit und blockieren im schlimmsten Fall durch gegenseitige Konkurrenz notwendige Mittel und Ressourcen. 

Handlungsimpuls: Müssen 

Der andere Strategie-Push kommt von top down: Im Rahmen des Green Deal entsteht ein umfassendes Regelwerk zur nachhaltigen Transformation der EU-Wirtschaft, das sukzessive auf die europäischen Unternehmen ausgerollt wird. Allein mit der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive legte die EU einen Aufgabenkatalog mit rund tausend Datenpunkten vor. Wenn wir im Kick-off einem künftigen CSRD-Team die Themenstandards der neuen Berichtspflicht vorstellen, erzeugen wir bei den meisten Runden betretenes Schweigen. Bis dann eine(r) der Teilnehmer:innen die Gedanken aller in Worte fasst: „Woher wissen wir, was wir alles tun sollen? Wir müssen so vieles berücksichtigen. Das Thema ist viel zu groß für uns.“   

Die Nachhaltigkeitsregulatorik setzt Standards, die Transparenz und Vergleichbarkeit befördern, um Finanzströme in nachhaltig wirtschaftende und handelnde Unternehmen zu lenken. Der Prozess der Strategieentwicklung ist damit weniger kreativ geworden. Das übergeordnete Ziel ist nicht mehr frei wählbar, sondern durch politischen und gesellschaftlichen Konsens vorgegeben.  Aus dem selbstbestimmten Agenda-Setting wurde die gesetzlich geforderte Auseinandersetzung mit der Komplexität von Nachhaltigkeit. Dieser Weg ist für die allermeisten Unternehmen unmittelbar mit mehr Aufwand verbunden, führt aber dauerhaft zu strategisch nachhaltigem Wirtschaften.  

Handlungsimpuls: Entscheiden 

Die Motivation zur Auseinandersetzung mit den regulatorischen Anforderungen steigt – so unsere Beobachtung aus der Praxis -, wenn wir beginnen, die Komplexität in einzelne Schritte und Aufgabenpakete zu zerlegen. Den großen, schwer fassbaren Katalog nehmen wir mit unseren Kund:innen Schritt für Schritt auseinander und analysieren die Teilaspekte hinsichtlich ihrer Chancen, Risiken und Auswirkungen. Wenn schließlich ein Themenpool aus Gesundheitsförderungen, Energieeffizienz, sozialer Gerechtigkeit, Biodiversität, Compliance und Abwasser und vielen mehr ausgebreitet vor dem Projektteam liegt, gibt es in der Regel nochmals einen Moment der Verlorenheit. Die Vielzahl der Handlungsoptionen und -pflichten kann durchaus erdrückend wirken.  

Der endgültige Aufwärtstrend setzt bei vielen unserer Kund:innen in der nächsten Arbeitsphase ein: Unterstützt von Experten und relevanten Stakeholdern bewertet das Team die bisherigen Arbeitsergebnisse. Und dann kommt schließlich ein entlastender Grundgedanke der Strategieentwicklung zum Zug, wie ihn Michael E. Porter 1996 so trefflich formulierte: „Die Essenz der Strategie besteht darin zu entscheiden, was nicht zu tun ist.“  

Fazit

Die Verantwortlichen einer Nachhaltigkeitsstrategie müssen über Entscheidungskraft, -hoheit und -kompetenz verfügen. Sie müssen den Mut zu haben, Herzensthemen hintan zu stellen, wenn deren nachhaltige Wirkung geringer ausfallen als bei anderen Maßnahmen. Sie müssen einfache Quick Wins mit spürbarem Effekt für Mensch und Umwelt mitnehmen, ohne darüber nachhaltige Großprojekte zu vernachlässigen. Sie dürfen, nein sie müssen priorisieren und aussortieren.

Apropos “müssen” – falls Ihnen das eine oder andere Muss hier aufgestoßen sein sollte, sei gesagt: Als systemisch orientierte Beratung geben wir lieber Impulse als Vorgaben zu machen. In diesem so zukunftsrelevanten Kontext jedoch stehen wir aus Erfahrung hinter dem Muss. Denn nur so entsteht ein überschaubares Gesamtbild, in dem die richtigen und wichtigen Themen, Aufgaben und Maßnahmen im Fokus stehen. Damit es Unternehmen möglich ist, Verantwortung zu übernehmen und nachhaltig für sich und andere zu wirken.  

Bildnachweis: stock.adobe.com – chayantorn

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