ESRS? Orientierungshilfe für die neuen Reporting-Standards zur Nachhaltigkeit

Im Juli 2023 hat die EU-Kommission Details zur Nachhaltigkeitsberichtspflicht veröffentlicht. In einem sogenannten delegierten Rechtsakt hat sie Standards festgelegt, nach denen die Berichterstattung erfolgen soll. Entstanden sind die „European Sustainability Reporting Standards“, kurz: ESRS. In diesen werden auf rund 280 Seiten alle Anforderungen aus dem Gesetz genauer beschrieben. Jetzt muss man verstehen, wer was wann und wie zu tun hat.

Doppelte Wesentlichkeit

Eine der Kernanforderungen der CSRD heißt: Erstellen Sie eine umfassende Analyse nach dem Grundsatz der Doppelten Wesentlichkeit.  Doppelt heißt: Unternehmen müssen untersuchen, welche Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit auf die Außenwelt hat, und umgekehrt, welche Auswirkungen Änderungen im Umfeld auf das Unternehmen haben. In der ersten Perspektive (Inside-Out) geht es um die konkreten Auswirkungen der Tätigkeit auf Mensch und Umwelt. In der zweiten (Outside-In) um mögliche Risiken und Chancen für das Unternehmen, die aus sozialen oder ökologischen Entwicklungen entstehen könnten.

Stärker im Fokus: Stakeholder müssen einbezogen werden

Im Rahmen der CSRD sind Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Stakeholder aktiv in den Prozess der Wesentlichkeitsanalyse einzubeziehen. Doch weiß heißt „aktiv“? Wie müssen Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Investoren und die Gemeinschaft zu Wort kommen? Die ESRS sagen nun: durch Konsultationen, Umfragen oder andere Formen der Interaktion. Anders ausgedrückt: nicht nur durch einfache Annahmen.

Der Hintergrund: Der Prozess der Stakeholder-Integration zielt darauf ab, ein tieferes Verständnis für die Erwartungen und Bedenken der Stakeholder zu erlangen und sicherzustellen, dass ihre Ansichten in die Entscheidungsfindung und Berichterstattung des Unternehmens wirklich einfließen.

Die Standards – Must have

Die ESRS umfassen 12 Standards, die das gesamte Spektrum der Nachhaltigkeitsthemen abdecken:

  • ESRS 1 (Allgemeine Anforderungen)
  • ESRS 2 (Allgemeine Angaben)
  • ESRS E 1 bis E 5 (Klima, Verschmutzung, Wasser- und Meeresressourcen, biologische Vielfalt und Ökosysteme, Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft)
  • ESRS S 1 bis S 4 (eigene Arbeitskräfte, Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette, betroffene Gemeinden, Verbraucher und Endverbraucher)
  • ESRS G 1 (Unternehmensführung)

Bis auf ESRS 1 und 2 unterliegen alle Standards und die einzelnen Offenlegungsanforderungen und Datenpunkte innerhalb dieser Standards einer Wesentlichkeitsprüfung. Die erforderliche mehrstufige Wesentlichkeitsanalyse ist ein umfassendes Unterfangen, dass bei größeren Unternehmen schnell ein paar Monate Zeit in Anspruch nehmen kann. Ziel des Prozesses ist eine Shortlist mit priorisierten Maßnahmen herauszuarbeiten, also die wirklich wesentlichen Aspekte herauszufiltern. Das bedeutet auch, dass ein Unternehmen Informationen, die für sein Geschäftsmodell und seine Tätigkeit nicht relevant („wesentlich“) sind, weglassen kann. Aber Vorsicht: Die Auslassung muss natürlich begründet werden.

Neu: Wesentliche Spielräume

Alle Standards waren in ihren Entwürfen sehr streng gefasst. Die Verfasser hatten wohl eine möglichst hohe Verbindlichkeit und Vergleichbarkeit im Sinn. Gegenüber diesen Entwürfen hat die EU-Kommission in der Schlussphase einige Anpassungen vorgenommen. Sie räumt den Unternehmen mehr Flexibilität ein. Diese können nun selbst entscheiden, welche Informationen unter ihren besonderen Umständen relevant sind. Dadurch werden Kosten vermieden, die mit der Meldung von Informationen verbunden sind, die möglicherweise nicht relevant sind.

Ein Beispiel aus dem Standard: Kommt ein Unternehmen zu dem Schluss, dass der Klimawandel kein wesentliches Thema ist und berichtet daher nicht nach dem Standard, muss es die Schlussfolgerungen seiner Wesentlichkeitsbewertung in Bezug auf den Klimawandel ausführlich erläutern. Diese Anforderung spiegelt die Tatsache wider, dass der Klimawandel weitreichende und systemische Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft hat.

Außerdem wandelte die Kommission zuletzt eine Reihe der vorgeschlagenen obligatorischen Datenpunkte in freiwillige Datenpunkte um. Dabei handelt es sich vor allem um Daten, die man nur schwer erheben kann oder deren Erhebung besonders kostspielig ist. Auch hier kommt die Kommission der Wirtschaft entgegen, denn einige Unternehmen hatten beispielsweise moniert, dass es unverhältnismäßig aufwändig sein, einen Plan zur Umstellung auf biologische Vielfalt zu entwickeln. Andere halten es für nicht zielführend, bestimmte Indikatoren über Selbstständige und Leiharbeiter in der eigenen Belegschaft aufzuführen.

CSRD und ESRS – Zwei Seiten einer Medaille

Mit den ESRS hat die EU ein Rahmenwerk geschaffen, das Unternehmen hilft, die Regelungen des CSRD praktisch zu fassen. Das Nachhaltigkeits-Reporting wird erst einmal aufwändig und es gibt viel vorzubereiten. Gleichzeitig ist nun der Weg, der zu gehen ist, klar.
Letztlich werden alle Stakeholder der Unternehmen profitieren und auch die Unternehmen selbst. Denn die Beschäftigung mit dem, was wirklich wesentlich ist, eröffnet Chancen. Und einheitliche und verbindliche Regeln zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung schaffen ein Mehr an Transparenz.

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